Leseempfehlung für das regnerische Wochenende – Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus (25./26.05.2024)

Guten Morgen,

Na, dieses Wochenende hält vermutlich etwas viel Wasser von oben bereit.Man soll ja aber aus allem das Beste machen und deshalb gibt es diese Woche eine Leseempfehlung, die etwas umfänglicher, kleingedruckter, aber auch gehaltvoller (manchmal auch etwas anspruchsvoller) ist. Aber damit kann man schon mal ein regnerisches Wochenende verbringen.

Diese Woche möchte ich euch das Buch mit dem etwas sperrigen Titel:
„Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus“ von Oliver E. Williamson ans Herz legen. Er knüpft damit an die Arbeiten von Ronald H. Coase „The Nature of the Firm“ von 1937 an. Insbesondere die Betrachtungen über „Transaktionskosten“ sind in ihrer Tragweite bis heute noch nicht in ihrer Gänze bewusst geworden. Williamson erhielt 2009 unter anderem für diese Arbeit, zusammen mit Elinor Ostrom, den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Zusammengefasst betrachtet Williamson in diesem Werk

Fünf Kernaspekte

1. Transaktionskostenökonomie: Williamson entwickelt die Theorie der Transaktionskostenökonomie, die untersucht, wie und warum Unternehmen und Märkte bestimmte organisatorische Strukturen wählen. Im Mittelpunkt steht die Minimierung der Transaktionskosten, die bei der Abwicklung von Geschäften anfallen.

2. Institutionelle Arrangements: Williamson untersucht verschiedene institutionelle Arrangements wie Märkte, Hierarchien (Unternehmen) und hybride Formen (wie strategische Allianzen). Er argumentiert, dass die Wahl der optimalen Struktur davon abhängt, welche Form die Transaktionskosten am effektivsten minimiert.

3. Vertragsgestaltung und Governance: Das Buch beleuchtet, wie Verträge und Governance-Strukturen gestaltet sein sollten, um Unsicherheiten und Opportunismus zu reduzieren. Williamson betont die Bedeutung von glaubwürdigen Verpflichtungen und Anpassungsmechanismen in langfristigen Beziehungen.

4. Anwendung auf verschiedene Bereiche: Williamson wendet seine Theorie auf verschiedene Bereiche wie Unternehmensorganisation, Regulierung, öffentlich-private Partnerschaften und internationale Wirtschaftsbeziehungen an. Er zeigt auf, wie die Prinzipien der Transaktionskostenökonomie auf reale wirtschaftliche Probleme angewendet werden können.

5. Beitrag zur ökonomischen Theorie: Das Buch stellt einen bedeutenden Beitrag zur ökonomischen Theorie dar, indem es die Rolle von Institutionen und Governance-Strukturen in der Wirtschaft hervorhebt. Williamson betont, dass wirtschaftliche Effizienz nicht nur von Produktionskosten, sondern auch von Transaktionskosten abhängt.

Erkenntnisse und Schlüsse

Die zentralen Erkenntnisse, die ich aus dieser Arbeit ziehe, waren für mich erhellend und haben mir einen neuen konsistenten Blick auf Wirtschaft und das Wirtschaften, sowie darauf, was es heißt, Unternehmer zu sein und was Unternehmertum ist, gegeben. Die Erkenntnisse haben vor allem Antworten auf die Frage gegeben, warum es überhaupt so etwas wie Unternehmen als Organisationen gibt.

Die Organisationsform eines Konstrukts, das man „Unternehmen“ nennt, ergibt sich notwendigerweise aus der Vorteilhaftigkeit für die Gesellschaft und ihre ökonomischen Institutionen. Erst die Organisationsform des „Unternehmens“ ermöglicht das Heben, Befriedigen und auch Erzeugen von Bedürfnissen und resultierenden Bedarfen.

Unternehmen sind also die logische Folge gesellschaftlichen Wirkens und Notwendigkeiten, sie ergeben sich also aufgrund von Kausalitäten.

Warum ist das nun so wichtig?

Erstens: Veranschaulichung des Unterschieds zwischen Ziel und Ergebnis.

Wenn Unternehmen eine natürliche, logische Folge der Organisation von Gesellschaften sind, dann kann ihr Sinn und Ziel nicht die Gewinnerzielung sein. Die Gesellschaft geht nicht hin und sagt: „Komm, wir müssen Gewinn erwirtschaften.“ Sie hat ein Bedarfs- und Bedürfnisproblem. Damit ist automatisch das Ziel von Unternehmen die Erfüllung dieser Bedürfnisse. Der Gewinn ist das Ergebnis der Zielerreichung. Seine Höhe beziehungsweise das Gewinnpotenzial ergibt sich aus dem Effizienzzuwachs der Transaktionskosten. Wenn also ein Unternehmen die Bedürfnisse am besten befriedigt, dann macht es auch Gewinn. Deshalb ist auch eine Zielformulierung, die man bei Unternehmen gerne immer wieder hört, schlicht sinnbefreit: „Double digit Wachstum, 10% EBITDA Marge, etc.“ Das sind keine Ziele, sondern Ergebniswünsche.

Zweitens: Füllt eine Lücke in der neoklassischen Wirtschaftstheorie

Anknüpfend an den ersten Punkt auch gleich die Erklärung, warum Ziel und Ergebnis so oft verwechselt werden. Schlicht und einfach, weil das bis heute gültige Grundparadigma der neoklassischen Wirtschaftstheorie nie die Frage „Warum gibt es eigentlich Unternehmen?“ beantwortet, ja tatsächlich noch nicht einmal gestellt hat. Milton Friedman formulierte: „The business of business is business“ und hat damit Entwicklungen in Gang gesetzt, unter denen wir immer mehr leiden. Zuallererst die immer weiter auseinanderklaffende Schere des Wohlstands in der Gesellschaft. Wenn ich die Frage nach dem WARUM nicht stelle, geschweige denn beantworte, sondern einen Diskurs vom Sinn trenne, kann er eine Eigendynamik entwickeln, die zu griffig klingenden, aber leeren Aussagen wie „The business of business is business“ führen oder widerlegten wirtschaftlichen (Nicht-)Effekten wie dem „trickle-down-effect“ führen. „Every error follows an assumption“, heißt es in der agilen Welt, wir müssen also von Zeit zu Zeit unsere Annahmen überprüfen und öfter mal die Frage nach dem WARUM nicht nur stellen, sondern auch beantworten.

Drittens: Gibt Hinweise auf Erfolgsfaktoren in der Unternehmenssteuerung und Fokus unternehmerischen Handelns

Ebenfalls unmittelbar wird ersichtlich, dass Unternehmen dann besonders erfolgreich sind, wenn sie ihre Ziele ganz eng an den Bedürfnissen und Bedarfen der Gesellschaft (Nennen wir sie mal „Kunden“) orientieren und Ziele und Messgrößen verwenden, die auch operationalisierbar sind.

Zu oft ist es verführerisch, sich zu sehr mit Zahlen zu beschäftigen und auch alles (SMART) messbar zu machen, auch wenn dies teilweise nicht sinnvoll möglich und damit kontraproduktiv ist. Oft gibt es dann einen Effekt, den mein langjähriger Mentor anekdotisch mit dem Satz

„Herr Doktor, Herr Doktor, können Sie mir mal ein EKG machen, das hat mir letztes mal so gut getan“

Dr. Johannes W. Feuling

Markig auf den Punkt gebracht hat. Sich das vor Augen zu führen und im unternehmerischen Alltag immer die Frage zu stellen: Messe ich sinnvoll und vor allem Sinnvolles, oder versuche ich über Messgrößen zu steuern?

Viel Spaß beim Lesen… Wenn nächste Woche wieder schlechtes Wetter ist, dann denke ich, gibt es kommendes Wochenende das Buch „The Social Life of Money“ von Nigel Dodd auf die Augen. Oder wenn es wieder richtig schlechtes Wetter ist, vielleicht auch „Soziale Systeme“ von Niklas Luhmann.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende aus der großartigsten Stadt Deutschlands.

Mannheim


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